Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Wir sind nicht wie am Ende des letzten Beitrags angekündigt nach Haifa gefahren, sondern haben uns für die wohl heikelste Stadt in Israel, Hebron, entschieden. Die Entscheidung dorthin zu fahren hat lange gedauert und kam am Ende doch spontan, nach einem langen Tag in Tel Aviv:
Recht zeitig aufgestanden haben wir uns je ein Bike geliehen und sind in den riesigen Hayarkon Park gefahren. Ein sehr gepflegtes Stückchen Tel Aviv, wo auch das Lady Gaga Konzert war. Am Rande des Parks gaben wir die Bikes zurück, schließlich mussten wir im 30 Minuten Limit bleiben. Dann sind wir ewig geschlendert, erst durch den Park, dann durch Wohngebiete und schließlich das City Business District und weiter zum Rathaus Tel Avivs. Das versprüht einen Charme wie die DDR 1970 und ist nicht weiter sehenswert. Später gingen wir zum Strand und gegen Sonnenuntergang radelten wir in die White City von Tel Aviv. Dieses Viertel ist die erste Siedlung außerhalb der Stadtmauern vom alten Jaffa und ist wunderschön.
Den Abend verbachte ich mit Carsten allein. Wir sind herrlich (und herrlich teuer) Essen gewesen, haben 500 Schekel (100 Euro) gelöhnt, noch ne Pulle Wein geholt und am Strand versucht ein bisschen allein zu sein. Das funktioniert leider in Tel Aviv gar nicht. Auch nachts halb eins sind überall Leute an den Stränden, den Ruf, dass diese Stadt nie schläft, kann ich nur bestätigen. Auf unserem Weg zum Strand (wieder mit Bike) trafen wir Phil, dem wir unsere gerade gefällte Entscheidung wissen ließen, am nächsten Tag in aller Frühe nicht nach Haifa, sondern erst nach Jerusalem, dann nach Hebron zu fahren. Es war ok für ihn, vielleicht hat er auch nur einfach schnell ja gesagt, war er doch gerade auf dem Weg zu “einem Freund” ;-).
Ein paar nette Bildchen von unserer Tel Aviv Entdeckungsreise stelle ich nun hin gern zur Verfügung
Nun war der Tag endlich gekommen: Hebron, mein heimliches Highlight auf unserer Reise aus folgendem Grund: Israel ist der Ort an dem Afrika, Asien und Europa aufeinander treffen, sowohl geografisch, kulturell und vor allem religiös. Da ich aber nun mal kulturell wenig und religiös fast gar nicht interessiert bin, ist es für mich zwar schon toll mal an all den wichtigen Stätten gewesen zu sein, um auch zu begreifen, weswegen hier dieser krasse Konflikt zwischen Juden und Arabern herrscht, viel spannender ist allerdings, den AKTUELLEN Konflikt für mich erlebbar zu machen. Genau deshalb wollte ich unbedingt nach Hebron. Ich musste etwas Überzeugungsarbeit leisten um alle von meinen Plänen zu überzeugen, schließlich ist Hebron eine von Unruhen geplagte Stadt, in der dementsprechend viel Gewaltpotential herrscht.
Um nach Hebron zu kommen, muss man erst nach Jerusalem. Diesmal waren wir sogar schon so zeitig in der Hauptstadt, dass wir es endlich geschafft haben vor 11 Uhr direkt zum Felsendom zu gelangen. Dort kommt man über einen hochgesicherten Zugang, an dem man wie am Flughafen kontrolliert wird. Der Felsendom ist sowohl den Muslimen als auch den Juden heilig, gehört zu den meistfotografierten Gebäuden der Welt und ist das Wahrzeichen Jerusalems. Auf dem Gelände des Felsendoms und der Al-Aqsa Moschee herrscht eine recht angespannte Stimmung, Juden und Muslime versuchen strikt getrennt zu bleiben, es gibt massig israelische Soldaten, gefühlt mehr als Gläubige und Touries zusammen. Kein Wunder, denn immer wieder kommt es dort zu Auseinandersetzungen.
Als wir sehr direkt aufgefordert wurden das Gelände zu verlassen, haben wir dem, zuvorkommend wie wir sind, Folge geleistet und haben uns Richtung Klagemauer begeben. Dort haben wir die Juden beobachtet und die Magie dieses Ortes auf uns wirken lassen.
Nach einem kurzen Snack in der Altstadt, haben wir diese verlassen, uns in die StraBa gesetzt und sind zur Central Station, dem Busbahnhof gefahren. Eine geschlagene Stunden mussten wir warten, bis der Bus 160 endlich Richtung Hebron fuhr. Allein dieser Bus hat Brisanz, es ist ein Siedlerbus, der vor allem die jüdischen Siedlungen in und um Hebron anfährt. Dazu sollte man wissen, dass Hebron eine palästinensische Stadt mitten im Westjordanland ist, die teilweise, so urteilt die UN, illegal von Juden besiedelt wird. Für knapp 10 Schekel durften wir einsteigen und sind direkt in die Innenstadt Hebrons gefahren. Dort findet man das Patriarchengrab bzw. die Ibrahim Moschee. Ein Gotteshaus, was zu 20 % von Juden und zu 80 % von Muslimen beansprucht wird, also geteilt ist. Auch hier mussten wir durch flughafenähnliche Kontrollen um in den jüdischen Teil zu gelangen. Überall wurden wir auch hier von schwer bewaffneten Soldaten befragt und beäugt.
Wieder raus aus dem gesicherten Bereich haben wir einen sehr jungen (vllt. 23 Jährigen) palästinensischen Tourguide angeheuert der uns die Innenstadt zeigen sollte. Was wir dann zu sehen bekamen, ist verdammt schwer mit Worten und Bildern zu beschreiben und hat mir fast die Tränen in die Augen getrieben. Die Stadt ist in zwei Teile gegliedert, H1 und H2.
Ein Teil steht unter der Kontrolle des israelischen Militärs, ist aber trotzdem arabisch – bis auf 5 kleine jüdische Siedlungen, die MITTEN in der Innenstadt liegen und mit hohen Mauern und riesigen Stacheldrahtzäunen abgeschottet sind. Dort wohnen ca. 500 jüdische Sieder, die von mindestens, das ist jetzt kein Schreibfehler 2000!!!! israelischen Soldaten beschützt werden. Diese Siedlungen sind noch alle sehr jung, keine 15 Jahre alt. Überall sind Durchgänge zugemauert, überall sind israelische Wachtürme, die die Gegend um diese Siedlungen überwachen. Die Palästinenser wurden teils aus ihren Häusern vertrieben, teils haben sie ihr Land an die Juden verkauft. Jetzt sind ganze Straßenzüge nahe dieser Siedlungen wie ausgestorben, weil Palästinenser diese Straßen nicht mehr betreten dürfen. Möchte ein Palästinenser von A zum 30 Meter entfernten B muss er gut und gerne mal 2 Kilometer laufen, einfach, weil er eine bestimmte Straße nicht passieren darf. Man wird das Gefühl nicht los, dass die israelische Macht diese Menschen als zweite Klasse betrachtet. Palästinenser werden dauernd kontrolliert, völlig willkürlich werden sie geschlagen. Der Shin Bet, der israelische Inlandsgeheimdienst, erpresst sogar Palästinenser zur Zusammenarbeit, indem sie drohen private Details, die sie zuvor ausgespäht haben, zu verraten. Wenn sie zum Beispiel rausfinden, dass ein Palästinenser schwul ist, dann wird das gegen ihn verwendet. Gruselig. Unser Tourguide erklärte uns, was an den Stellen, an denen jetzt Israelis siedeln vorher war. Manchmal musste wir auf ihn eine Weile warten, weil er einfach einen anderen, weiteren Weg gehen musste.
Der zweite Teil der Stadt steht unter palästinensischer Kontrolle, mit eigener Polizei und einem geschäftigen arabischen Leben. Dort waren wir nur kurz.
Wie gesagt, was man dort sieht und spürt, diese ungeheuren Spannungen, die schockierenden Bilder die man zu Gesicht bekommt, sind einfach super schwer zu beschreiben. Als unsere Tour vorbei war und wir auch den muslimischen Teil der Ibrahim Moschee besichtig hatten, sind wir mit recht gedrückter Stimmung und latenter Trauer wieder Richtung Bushaltestelle gegangen. Auch dort haben uns Palästinenser angesprochen. Ganz interessiert habe ich sie ausgequetscht, was sie von all diesen Konflikten halten, was sie von der Hamas halten, wie ihre Sicht der Dinge ist. In erster Linie fühlen sie sich allein gelassen, sehen die Staatengemeinschaft gegen sich. Israel siedelt illegal, die Welt schaut zu.
Irgendwann kam der Bus, und wir sind zurück in unsere Seifenblase Tel Aviv, was Luftlinie vielleicht 100 km weg, und doch meilenweit entfernt scheint.
Zumindest versucht haben wir alles in Bildern festzuhalten. Ob das gelungen ist, ist jetzt hier zu sehen
Zugegeben ist diese Seifenblase wunderschön. Zwar ziemlich müde, aber trotzdem motiviert haben wir uns ins Nightlife gestürzt und waren in einem unglaublich guten Club mit einem Gott von DJ, einer fetten Licht- und Soundanlage und schweineteuren Getränken. Der Name des Ladens ist lustig: Drek!
Heute haben wir`s nach dem langen Tag gestern ruhiger angehen lassen. Beachball am Strand, Biketour nach Jaffa, dort in einem herrlichen Café direkt am Strand mit einem israelischen Bier und einer Schischa den Sonnenuntergang betrachtet und lecker Bratkartoffeln zu Hause gegessen. Heute geht`s auf ne Roof Top Party. Wie wir die letzten Tage verbringen, erzähl ich dann im letzten Post für unsere (viel zu kurze) Reise.